Die Geschichte der Rivers of America im Magic Kingdom
13.09.25, 11:00 |

Der 7. Juli 2025 war ein einschneidender Tag für altgediente Disney-Fans. Die Attraktionen Liberty Square Riverboat und Tom Sawyer Island im Magic Kingdom wurden geschlossen, um dem neuen Cars Land Platz zu machen. Zeit also, um sich die Geschichte der Rivers of America anzusehen – inklusive Konstruktion, Entwicklung und auch der Beantwortung der Frage, wofür eigentlich der kleine abknickende Seitenarm gedacht war.
Die Rivers of America – wie alles begann…
Stellt Euch vor, Ihr stündet auf einer Orangen-Farm, die Sonne brennt vom Himmel. Der Duft der süßen, reifen Früchte weht Euch sanft um die Nase. Ihr blickt auf fruchtbaren Boden und sattgrüne Bäume, an deren Äste die saftigen Zitrusfrüchte der Ernte entgegensehen.
Dann klopft Euch ein freundlicher, älterer Herr sanft auf die Schulter. Er sieht hier keinen Orangenhain mehr, sondern steht an der Anlegestelle eines großen Schaufelraddampfers, der gerade um eine Flussbiegung zu uns fährt. Er hört das Lachen fröhlicher Kinder, die aufgeregten Gespräche, die sein Werk preisen. Vor seinem inneren Auge entfaltet sich seine bis dato größte Errungenschaft, die er gegen viele Widerstände umsetzen und mit der er ein neues Zeitalter sorgsam thematisierter Vergnügungspark einläuten wird.

Ein Ort, an dem Familien gemeinsam fantastische Reisen und Karussell-Fahrten erleben. Wo Eltern wieder Kinder sein und die Sorgen des Alltags vergessen dürfen. All das sieht er, schon zwei Jahre zuvor, nachdem er den Orangenbauern das Land abgekauft hat. Bald werden die Bäume verschwinden, woanders hingebracht, und Disneyland entstehen.
Die erste Flussfahrt in Disneyland Anaheim
In diesem Disneyland ist schon mit Eröffnung am 17. Juli 1955 eine wunderschöne, geruhsame Flussfahrt auf just genanntem Dampfer möglich gewesen. Eine fast zwanzigminütige Umrundung einer kleinen Insel, dem Buchhelden Tom Sawyer gewidmet, auf der Kinder und Erwachsene Reminiszenzen der Romanfigur entdecken und ihre eigenen erdachten Abenteuer erleben können.
Das Schiff trägt passenderweise den Namen „Mark Twain“, das Pseudonym des bekannten amerikanischen Autors, der seine eigene Kindheit mit ein wenig Fantasie anreicherte und zu Papier brachte. Jedes Kind damals wie heute kennt die Geschichten von Tom Sawyer und Huckleberry Finn.

Die Jungfernfahrt zum Hochzeitstag
Doch wir richten unseren Fokus wieder auf das Schiff. Seine Jungfernfahrt fand übrigens wenige Tage zuvor, am 13.07.1955 statt, als Lilian und Walt Disney ihren dreißigsten Hochzeitstag feierten, eine Perlenhochzeit. Die Gäste wurden in das fast fertig gestellte Disneyland eingeladen, mit dem Empfang auf der Mark Twain und anschließendem Bankett mit Dinner-Show im Restaurant Golden Horseshoe. Das Boot wurde noch von Lilian Disney und dem Bauleiter Disneylands, Admiral Joe Fowler, am Morgen der Feier geputzt und feucht durchgewischt. Es sollte schließlich alles in astreinem Zustand sein.

Dass die Feier bei Gästen und Gastgebern einer voller Erfolg war, muss ich wohl nicht erwähnen. Die schönste Anekdote hierzu erzählte Diane Disney-Miller, die ihre Eltern an jenem Abend nach Hause fuhr und im Rückspiegel ihren Vater beobachtete, wie er glückselig mit einer eingerollten Karte von Disneyland in seinen Armen vor sich hin schlummerte und dabei den Gesichtsausdruck eines überglücklichen, kleinen Jungen hatte, weil er an den leuchtenden Augen seiner Gäste bereits erkannte, dass er mit seiner Idee mal wieder goldrichtig lag – und er zudem noch seinen persönlichen Spielplatz mit aller Welt teilen konnte.
Zwanzigminütige Kreuzfahrt auf vier unterschiedlichen Flüssen
Auf der Fahrt um die Tom-Sawyer-Insel werden vier bedeutsame Flüsse der USA angesteuert: Zuerst der Mississippi, da am New Orleans Square die Fahrt beginnt. Dann geht er über in den Columbia River, der bis zu der Szene mit der – nicht mehr – brennenden Hütte des einsamen Siedlers reicht, danach kommt der Potomac, an dessen Ufern die Besuchenden ein Dorf amerikanischer Ureinwohner beobachten können, um schließlich an einer Biegung auf dem Rio Grande bis zum Dock zu fahren, wo die Attraktion ihren Start- wie Endpunkt hat.

Auf der Fahrt erfahren die Gäste allerhand Nützliches zum Thema Schifffahrt und dazu, welche anderen Attraktionen an den Ufern der Rivers of America auf sie warten. Der Erzähler macht die Münder wässrig auf Big Thunder Mountain, Tiana’s Bayou Adventure (vormals Splash Mountain – über dessen Geschichte Ihr hier mehr erfahren könnt) und das Haunted Mansion. Auch die Orte auf Tom Saywer’s Island, die hinter dem Dickicht wohl verborgen waren, wurden erläutert und beworben.
So dient sie wie die Disneyland Railroad oder die Monorail nicht nur dem reinen Vergnügen, sondern auch der Weitergabe von Hinweisen, was als Nächsten besucht werden kann.
Die Columbia tritt der Flotte bei
Neben dem großen Pott schipperten auch die kleinen Mike Fink Keel Boats sowie die mittlerweile in Davy Crockett Explorer Canoes umbenannten Paddelbootchen herum, ebenso wie ein Floß, dass den Vier-Flüsse-Wasserweg quer schnitt, um auf die Spiel-Insel zu gelangen.

Zu einem späteren Zeitpunkt wurde ein zweites Boot, nämlich eine exakte Replik des historischen Schiffs „Columbia“, welches als erstes amerikanisches Segelschiff die Erde umrundete, auf die Rivers of America geschickt, da die Kapazität der Mark Twain erreicht war. Die Columbia wurde zudem auch Kulisse der fantastisch inszenierten Eröffnung des Dark-Boat-Rides Pirates of the Carribean, wie dieser Ausschnitt aus „Walt Disney’s Wonderful World of Color“ zeigt:
Segel setzen, es geht nach Florida!
Das kam alles dermaßen gut an, dass die Attraktion auch für das „Florida Project“, heutzutage besser bekannt als Walt Disney World, auf jeden Fall eingeplant war. Als Bauleiter für das „Disneyland of the East“ bzw. Magic Kingdom zeichnete wieder der gute Admiral verantwortlich. Er wurde zusammen mit dem damaligen Vizepräsident Richard F. Irvine der heute als „WDI – Walt Disney Imagineering“ bekannten Firma, die Walt Disney selbst eigens für die Entwicklung und Realisierung Disneylands unter dem Namen „WED (Walter Elias Disney) Enterprises“ gründete, damit geehrt, dass je ein Schiff für jene Attraktion nach ihm benannt wurde. Die „Richard F. Irvine“ kam 1973 hinzu, nachdem der Andrang auf die Fahrt mit dem Schaufelraddampfer mehr und mehr zunahm.

Im Magic Kingdom wird ebenfalls ein Tom Sawyer gewidmeter Abenteuerspielplatz umrundet. Doch dieser ist nicht nur eine große, sondern zwei Inseln, welche mit einer auf Holzfässern ruhenden Hängebrücke miteinander verbunden waren. Zusätzlich eröffnete hier auch ein weiteres Schnellservice-Restaurant, nämlich das Aunt Polly’s Refreshments. Hier gibt es kleinere Snacks und Getränke, wenn sich die kleinen oder großen Abenteurer und Entdecker geheimer Piraten-Höhlen sowie der darin versteckten Schätze völlig verausgabt haben und hungrig ans Tageslicht zurückkehren.

Habt Ihr es selbst nie geschafft, auf den Rivers of America eine Runde mit dem Liberty Belle Riverboat zu drehen, könnt Ihr das dank Youtube zumindest virtuell nachholen:
Von den Rivers of America zur Seven Seas Lagoon?
Schauen wir uns nun einmal eine Luftaufnahme vom Magic Kingdom an. Wenn Ihr euch den oberen Rand des Bildes anschaut, zoomt ruhig ein wenig heran, direkt unterhalb der Wasserzeichen, dann könnt Ihr auch den Wasserzulauf von den Rivers of America zur Seven Seas Lagoon, die dem Magic Kingdom vorgelagert ist, erkennen, richtig? Falls nicht, vertraut mir, da ist einer. Ihr könnt auch auf Google Earth nachsehen. Auf Google Earth sieht man dort auch schon das Trockendock, in welchem die Dampfer gewartet werden sowie die Lagerhalle der Electrical Water Pageant, einer Wasserparade, die jede Nacht auf der Seven Seas Lagoon und dem benachbarten Bay Lake stattfindet.
Jedenfalls, als sich Walt Disney World im Bau befand, gab es wohl die Idee, nach offiziellem Parkschluss abends eine Rundfahrt auf der Seven Seas Lagoon mit den Rivers of America-Schiffen anzubieten, als Doppelnutzung quasi. Mit Band und Cocktails und allem; natürlich nur mit einem separat zu kaufenden Ticket. Lediglich war der Dampfer vom Liberty Square doch zu breit und tief, als dass er hätte bequem durch den Kanal passen können. Das weiß ich allerdings nur vom Hören-Sagen und kann daher mit keiner einzigen offiziellen Quelle diese Anekdote belegen.
Die Admiral hat einen Unfall und die Richard wird zur Liberty Bell
Was jedoch belegbar ist, weil es existierte, sind die „The World Cruise“ und die „Moonlight Cruise“, mit zusätzlichem Ticket, für welche extra Boote in Form eines Seitenrad-Dampfers (Disney hat für diese Art Schiff den Namen “Osceola-class” erfunden) gebaut wurden. Diese beiden Rundfahrten wurden von 1972 bis 1997 angeboten, und später von der „Firework Cruise“ ersetzt.
Bei einem Unfall während der Wartungsarbeiten im Winter 1980 fiel der Admiral-Fowler-Dampfer sehr unglücklich im Trockendock auf den Boden, sodass er irreparabel beschädigt wurde. Zum Ausgleich taufte Disney die Fähre zwischen dem Transportation and Ticket Center, kurz TTC, und dem Magic Kingdom auf den Namen „Admiral Joe Fowler“.
Das Irvine-Boot hingegen fuhr noch bis 1996 unter diesem Namen weiter, nur um in jenem Jahr nach der Generalüberholung als „Liberty Bell“ zurückzukehren, was Sinn ergibt, da das Boot zwischen dem Liberty Square und dem Frontierland verkehrt. Auch hier wurde stattdessen eine weitere Fähre des TTC zur „Richard F. Irvine“ umgetauft. So fahren diese beiden Namen wieder einträchtig nebeneinander her, und bringen Gäste zu ihren gewünschten Destinationen.

Amerikanische Flüsse weltweit in den Disney Parks gesichtet

Auch in Tokyo Disneyland, Disneyland Paris und Hong Kong Disneyland gibt es Varianten der Rivers of America. In Tokio ist es eine nahezu identische Kopie, in Paris umrundet nicht das Boot Mark Twain, sondern die „Molly Brown“, benannt nach einer Überlebenden des Untergangs der Titanic, eine Insel. Auf dieser Insel können jedoch nicht Tom Sawyers Abenteuer nachgespielt werden, denn hier fährt die wild gewordene Big Thunder Mountain Railroad ihre Runden – übrigens die einzige in allen Disney-Parks, die nicht komplett auf dem Festland stationiert ist.

In Hong Kong hingegen gibt es die Rivers of America in der uns bekannten Form nicht, weil sie mit der Jungle Cruise zusammengelegt wurden. Daher heißt die Attraktion dort Jungle River Cruise und der Wasserweg entsprechend „Rivers of Adventure“. Auf dieser Art Jungle Cruise fährt man an Tarzan’s Tree House vorbei auf die Abenteuer-Reise, und winkt den Menschen, die per Floß zu Tarzan übersetzen, zum Abschied.
Die Zeit der Rivers of America neigt sich im Magic Kingdom dem Ende zu
Über die Jahre gingen in Florida allerdings die Besucherzahlen auf der Liberty Bell zunehmend zurück, sodass die Park-Verantwortlichen vor dem Finanzwesen nicht mehr verantworten konnten, weswegen sie in diese Attraktionen noch Geld für Wartungen und Personal steckten. Daher kündigte Disney auf der letzten D23 im Jahr 2024 an, dass die IP „Cars“ mit einer Attraktion ins Magic Kingdom einziehen würde.

Anhand der Konzeptzeichnung konnte man schon erahnen , dass die Rivers of America das Zeitliche segnen würden. Wie immer begann ein sehr lauter Teil des Internets plötzlich seine unsterbliche Liebe für die Liberty Bell und die Rivers of America zu entdecken.
Wie immer wurden Schimpf und Schande über die Disney-Manager ausgegossen und wie sie Walt’s Andenken, seine Philosophie und die Fähigkeit des Geschichten-Erzählens der früheren Imagineers mit Füßen treten, weil neue IPs die Zeit niemals so lange überdauern könnten, wie die guten alten, originären Geschichten. Währenddessen lachen Peter Pan, Wendy und Capt’n Hook in ihrer Attraktion lauthals auf. Zumal auch Tom Sawyer eine IP ist, nur mal so am Rande.
Der National-“Cars“-Park Piston Peak tritt die Nachfolge an
Ihr merkt, dass ich hier nicht umhin komme, ein wenig zynisch zu werden. Denn seien wir ehrlich, Diney-Fans sehen einige Attraktionen als so selbstverständlich und gleichzeitig langweilig an, dass sie einerseits niemals einen Fuß hinein oder darauf setzen würden, aber sofort böse Mächte wittern, sobald eben jene Attraktionen eine Veränderung durchlaufen oder geschlossen werden (müssen).
Andere waren davon überzeugt, dass mit der Schließung kein Wasser mehr im Liberty Square gäbe, und zur Folge hätte, dass es nun unerträglich heiß würde im Magic Kingdom, weil eine von sehr vielen Konzeptzeichnungen den Fluss nicht direkt zeigten. Das aktuelle Bild für die kommende Attraktion zeigt allerdings sehr wohl Wasser. Recht viel sogar, was mich davon überzeugt, dass der ursprüngliche Wasserlauf gar nicht so sehr in Mitleidenschaft gezogen werden wird, wie befürchtet.

Die Umgestaltung der Rivers of America – Verlust oder Chance?
Jedenfalls sieht es für meine entzückten Äuglein tatsächlich so aus, als bekämen wir wieder eine wunderschöne, detailreiche und zauberhafte Wasserattraktion, die sich eben einer IP bedient, die auch schon mehr als ein Jahrzehnt besteht und noch immer einer große Anziehungskraft hat, wie das Cars Land im Park California Adventure tagtäglich unter Beweis stellt.
A pros pos California Adventure: Ich frage mich derzeit, wie viel California noch im Adventure steckt, aber die Beantwortung dieser Frage werde ich zu einem späteren Zeitpunkt aufgreifen, denn oh Junge, dieser Park ist voll von wunderschöner „Es war einmal“-Geschichte und ganz viel „es ging einmal den Bach runter“. Also mehr als wert, mit den Augen einer angehenden Disney-Historikerin betrachtet zu werden.
Was Piston Peak im Magic Kingdom angeht, bleibe ich derweil aufgeschlossen, denn ich denke immer an Walts weise Worte: „Disneyland will never be completed. It will continue to grow as long as there is imagination left in the world.“ – oder mit anderen Worten: Die Veränderung ist die einzige Konstante in dieser Welt. Denn er selbst wollte kein Museum aus Disneyland machen, sondern immer wieder neue, aufregende Attraktionen eröffnen, die Kinder wie Erwachsene gleichermaßen staunen lassen und glauben machen, dass mit genügend Fantasie Magie und Träumereien in unsere Realität geholt werden können.
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